Als Darwin vor ungefähr 150 Jahren behauptete, dass der Mensch vom Tier abstamme, waren seine Zeitgenossen entsetzt. Heute ist die Evolution eine von allen* akzeptierte Tatsache.
*ok, von fast allen…
Was Evolution nicht ist
Trotz dieser universellen, seit vielen Jahren bestehenden Akzeptanz und ihrer fundamentalen Bedeutung zum Verständnis unserer Welt gibt es immer noch grundlegende Missverständnisse, wie die Evolution eigentlich funktioniert.
Es fängt schon damit an, dass Darwins Aussage vom survival of the fittest gerne mit “Der Stärkste überlebt” übersetzt wird, wobei fit in diesem Zusammenhang aber eben nicht stark, sondern angepasst bedeutet: diejenigen überleben, die am besten an ihre jeweilige Umgebung angepasst sind. Und das sind nicht immer die Stärksten, sondern vielleicht die Energiesparendsten – wie das Faultier, das sich von extrem nährstoffarmen Blättern ernähren kann – oder die mit dem passenden Schnabel für bestimmte nährstoffreiche Blüten – wie einige Kolibriarten. Oder eben auch die Intelligentesten, wie Ratten – oder Menschen.
Mit dem Menschen als Krone der Schöpfung sind wir auch schon beim zweiten Irrtum: es gibt keine Krone der Schöpfung. Dies würde nämlich implizieren, dass die Evolution ein Ziel hat – hin zu immer höher entwickelten Wesen, bis schließlich der Mensch auf die Bühne trat. Dem ist aber nicht so.
Evolution ist Mutation plus Selektion
Evolution folgt einem ganz einfachen Prinzip. Der genetische Bauplan eines Lebewesens wird kodiert durch die Abfolge bestimmter Moleküle, Basen, innerhalb riesiger, schraubenförmiger Makromoleküle, der sog. DNS (Desoxyribonukleinsäure) im Zellkern. Durch Umwelteinflüsse, wie z.B. Strahlung oder Zellgifte, kann es jetzt zu kleinen zufälligen Änderungen in der Abfolge der Basen kommen, und diese Mutationen, so sie zufälligerweise die Fortpflanzungszellen betreffen, verändern damit den Bauplan der Nachkommen. Die Änderung kann so unbedeutend sein, dass sie sich nicht auswirkt, oder sie kann wichtige Funktionen betreffen. Bei der Sichelzellenanämie führt z.B. eine Mutation zu deformierten roten Blutkörperchen, die dadurch weniger Sauerstoff transportieren können, wodurch die Betroffenen weniger ausdauernd sind und damit eher Raubtieren zum Opfer fallen als ihre gesunden Artgenossen. Das ist Selektion: die Träger einer ungünstigen Mutation sterben, oft bevor sie sich fortpflanzen und die Mutation weiter vererben können, und mit ihnen stirbt die Mutation.
In ganz, ganz seltenen Fällen wirkt sich eine Mutation positiv aus, verschafft ihren Trägern also einen Überlebensvorteil, sie können mehr Nachkommen großziehen, die Mutation breitet sich aus. Ein Beispiel dafür wäre z.B. ein härterer Schnabel, der es seinem Träger ermöglicht, erfolgreicher in Bäumen nach Maden zu bohren, ein anderes – aufgepasst – die Sichelzellenanämie, die wir eben noch als Krankheit klassifiziert haben. Die deformierten Blutkörperchen haben nämlich den Vorteil, dass ihre Träger resistenter gegen Malaria-Infektionen sind als nicht betroffene Menschen. In Gegenden, wo Malaria grassiert, wird also aus dem Nachteil ein Vorteil – die Träger der Sichelzellenanämie überleben öfter, werden also positiv selektiert, und entsprechend gibt es diese Mutation sehr häufig in Gebieten, wo Malaria endemisch ist. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die Evolution per se kein Ziel hat. Dass eben nicht eine abstrakt zu definierende Höherentwicklung angestrebt wird, sondern dass die Anpassung an die jeweilige Umwelt mit Verbesserung der Überlebenschancen das entscheidende Kriterium für evolutionären Erfolg ist – gut ist, was bleibt, was überlebt und sich fortpflanzt.
Evolution ist ein einfaches, aber unglaublich mächtiges Konzept. Man nehme ein paar Makromoleküle und sehr viel Zeit und man erhält den Menschen. Das ist so unglaublich, dass einige Leute sich tatsächlich nicht vorstellen können, wie ein simpler Mechanismus ohne Ziel und Verstand zu diesen Ergebnissen führen kann, weswegen die Kreationisten oder Anhänger von intelligent design Eingriffe einer höheren Intelligenz für notwendig halten.
Persönlich halte ich es für sehr kleingläubig einerseits ein allmächtiges Wesen zu postulieren und andererseits dann zu bezweifeln, dass dieses Wesen in der Lage sein könnte, Universum und Naturgesetze so zu erschaffen, dass auch ohne permanente Nachbesserungen Leben entsteht, zumal Milliarden von Jahren ja schon eine ziemlich lange Zeit sind, in der man auch mit kleinen Schritten recht weit kommen kann.
Ist die Evolution zu Ende?
Und damit kommen wir zum dritten Irrglauben – da der Mensch Herrscher seiner Welt sei, die Umwelt nach seinen Wünschen umgestaltet habe und in zivilisierten Gesellschaften keine Selektion mehr stattfindet, sei damit die Evolution zu ihrem Ende gekommen, was in einem gewissen Sinn dann doch den Menschen zur Krone der Schöpfung macht.
Die Evolution des Menschen ist nicht zu Ende; nach wie vor kommt es zu Mutationen, und nach wie vor pflanzen sich manche Menschen schneller fort als andere. Das ist nichts anderes als Selektion, auch wenn deren Opfer nicht mehr verhungert am Wegesrand liegen, sondern sich eben – cleverer Verhütungsmittel sei dank – einfach nur nicht mehr fortpflanzen. Aus dem Kampf ums Dasein ist das demografische Problem geworden. Mutationen, die zu höherer Intelligenz führen, oder zu mehr Fleiß und Karrierestreben, wirken sich bei uns eher negativ auf die Fortpflanzungsrate aus – was früher zu positiver Selektion führte ist zu einem Malus geworden. Auch dies zeigt, dass Evolution nicht notwendigerweise die Richtung nimmt, die wir für besser halten, sondern eben auf die Umwelt reagiert, und die Kriterien der Selektion hat der westliche Mensch spätestens mit der Erfindung des Sozialstaats massiv verändert. Während einige linke Politologen wie Butterwege den Sozialdarwinismus auf dem Vormarsch sehen, ist in Wirklichkeit ein Film wie Idiocracy näher an der Realität als uns lieb sein kann.
(Im übrigen ist der Mensch ja nicht das erste Lebewesen, was seine Umwelt verändert, und die von ihm ausgelösten Naturkatastrophen sind Pipifax im Vergleich zu dem, was vor Milliarden Jahren die ersten Algen bewirkt haben.)
The ultimate result of shielding men from the effects of folly, is to fill the world with fools. (Herbert Spencer)
Marktwirtschaft
Ich hoffe mal, dass mittlerweile klar geworden ist, wo ich die Verbindung von der Evolution zur Marktwirtschaft sehe. Wenn man Marktwirtschaft und Planwirtschaft einander gegenüberstellt, dann entspricht die Planwirtschaft dem kreationistischen Ansatz, bei dem versucht wird, aus dem Nichts in einer gewaltigen Kraftanstrengung das perfekte System zu erschaffen. Die Marktwirtschaft hingegen definiert genau wie die Evolution nur ein Verfahren, um über Versuch und Irrtum inkrementell die Versorgung der Menschen mit Gütern zu verbessern.
Wie schon in meinem vorigen Beitrag zitiert, hält Hayek es für die wichtigste Aufgabe des Wettbewerbs zu zeigen, welche Pläne falsch sind. Damit übernimmt der Unternehmer, der ein neues Produkt anbietet, gewissermaßen die Rolle der Mutation, er verändert das Warenangebot, und die Nachfrage im Wettbewerb mit anderen übernimmt zusammen mit dem erzielbaren Preis die Aufgabe der Selektion, und entscheidet, ob im konkreten Marktumfeld das Angebot Erfolg hat oder nicht.
Es gibt kein globales Ziel der Marktwirtschaft; es ist keine alles überschauende Weisheit und Planung notwendig, damit Marktwirtschaft funktioniert. Aus den Einzelinteressen der Marktteilnehmer, aus Egoismus oder Gruppenegoismus entsteht ein System, was die Bedürfnisse der Menschen alles in allem besser befriedigt, als dies zentrale Planung jemals geschafft hat. Und das System ist flexibel: ändern sich die Bedingungen, ändern sich die Erfolgskriterien und andere Marktteilnehmer und Produkte haben Erfolg. Gleichzeitig ist das Scheitern einzelner Marktteilnehmer normalerweise keine Katastrophe, sondern ein notwendiger Schritt, um das Gesamtsystem zu verbessern.
Idiocracy
Aber genau wie bei der biologischen Evolution können die Selektionsbedingungen so geändert werden, dass sich lokal eher unwillkommene Eigenschaften durchsetzen. Manipuliert man, wie das die politisierten Zentralbanken tun, massiv Risiken und Preise und damit die Selektionskriterien, oder schafft man für bestimmte Marktteilnehmer das Risiko zu versagen und pleite zu gehen gleich ganz ab, wie das bei der Bankenrettung geschieht, belohnt man durch Umverteilung die dummen, faulen und schlecht wirtschaftenden Mitspieler, bestraft damit umgekehrt den Erfolg, dann darf man sich nicht wundern, wenn das System degeneriert, weil Misswirtschaft und Versagen durch diese Negativauslese gefördert werden.
Pleiten zu verhindern und Preise – Zinsen, Mieten, Löhne – zu manipulieren verstärkt dabei die Instabilität, weil riesige, ineffiziente Strukturen entstehen, deren endgültiger Zusammenbruch dann eine veritable Katastrophe für das Gesamtsystem bedeuten kann. Diese Systemrelevanz ist dann wiederum die Basis für weitere Erpressungen und staatliche Eingriffe, die die Probleme nicht lösen, sondern nur verschleppen und dabei noch verstärken.
Und während man sich früher noch mit dem Gedanken hätte trösten können, dass ja keinem ein Wettbewerbsnachteil entsteht, wenn sich alle wie Idioten verhalten – ein Glaube, der mir innerhalb der Eurozone auch heute noch weit verbreitet scheint – gibt es leider in Zeiten der Globalisierung immer Spieler, die sich nicht an die Regeln des Idiotenschachs halten wollen und uns an die Wand wirtschaften werden, wenn wir nicht schnellstmöglich dafür sorgen, dass bei uns schlechte Pläne wieder zur Pleite führen und der Bessere wieder gewinnen darf.