Klarmachen zum Kentern

Nachdem ja mittlerweile sogar in Blättern, die sonst von aufrichtigem Hass auf alles Liberale durchdrungen sind, melancholische Nachrufe auf die FDP veröffentlicht werden, scheint es mir angemessen hier auch der anderen Wahlverlierer zu gedenken: die Piraten sind deutlich an der 5%-Hürde gescheitert.

Aber diese Hürde ist nicht das einzige, woran die Piraten gescheitert sind. Vor allem sind sie an sich selbst gescheitert. Daran, dass sie den vielen Spinnern, die sie geradezu magisch angezogen haben, nichts entgegenzusetzen hatten. Daran, dass sie sich mit Inbrunst in persönlichen Kleinkriegen zerfleischt haben. Und vor allem daran, dass sie glaubten, es gäbe noch nicht genug linke bis linksextreme Parteien in Deutschland. Im Wahl-O-Mat 84% Übereinstimmung mit den anderen Parteien des Linksblocks führte dazu, dass potentielle Piraten-Wähler, die Angst hatten, ihre Stimme zu verschenken, dann doch ohne größeres Bauchgrimmen rot oder grün wählen konnten.

Aber es lag nicht nur an den Piraten selber. Es lag auch daran, dass ihre beiden Kernthemen, der Überwachungsstaat und der Bereich „Immaterialgüterrecht“ (in Ermangelung eines besseren Begriffs) viel zu vielen Wählern am Allerwertesten vorbeigingen. Und obwohl ich nicht wirklich traurig bin, dass die verschiedenen sozialdemokratisch bis sozialistischen Fraktionen im neuen Bundestag von schwarz bis dunkelrot nicht noch durch orangefarbene Sozis ergänzt wurden, finde ich es doch einigermaßen deprimierend, dass den deutschen Wählern ihre allumfassende Überwachung und ihre digitale Enteignung herzlich egal zu sein scheinen.

Über ersteres wurde in letzter Zeit genug geredet, daher nur kurz einige Anmerkungen zu letzterem (auch wenn mich das wieder bei einigen Radikalliberalen zu einer roten Socke macht): wir brauchen neue Ideen, wie wir mit dem sogenannten „Geistigen Eigentum“ zukünftig umgehen wollen. Auf der einen Seite gibt es natürlich das Problem der illegalen Vervielfältigung, ermöglicht durch die Digitalisierung der Medien, auf der anderen Seite sind aber ausufernde Urheberrechtsansprüche, die zu einer künstlichen Verknappung von Wissen führen, obwohl die Grenzkosten einzelner Exemplare gegen Null tendieren, staatlich sanktionierte DRM-Systeme, die den Verbraucher permanent am Gängelband der Verwertungsindustrie und ihrer Authentifizierungsserver halten, dazu die Praxis, jede Idee, auf die eine Horde Schimpansen innerhalb von 10 min kommen würde, zu patentieren und anschließend damit die Konkurrenz zu verklagen, ebenso schädlich – niemand, der halbwegs objektiv diesen Schlamassel betrachtet, kann bezweifeln, dass sich da etwas ändern muss.

Und auch wenn die Piraten für meinen Geschmack da viel zu oft ihrer „Wir wollen alles, und zwar kostenlos“-Mentalität frönten, haben sie den wenigen Politikern der Bundestagsparteien, die sich überhaupt damit beschäftigt haben, mehr Gehör (und mehr Wissen) verschafft. Und manchmal kamen da parteiübergreifend sogar brauchbare Ideen heraus, nur um anschließend wieder der Fraktionsdisziplin und dem alten Denken geopfert zu werden. Und ohne eine politische Kraft, die das zu ihrem Thema gemacht hat, wird das leider auch so bleiben.

Veröffentlicht unter Politik | Verschlagwortet mit , , , | 1 Kommentar

PRISM, SNOWDN, HEUCHLN

Vor kurzem las ich ein Interview, in dem die Philosophin Renata Salecl die sehr einleuchtende These formuliert, dass uns zu viele Wahlmöglichkeiten unglücklich machen.

Gerade die Berichterstattung zur aktuellen Abhöraffäre mit ihren vielfältigen und komplett widersprüchlichen Standpunkten ist leider dazu geeignet, den geneigten Leser in tiefe Depressionen zu stürzen, weswegen ich es als meine moralische Verpflichtung ansehe, hier ein klares und eindeutiges Bild der Lage zu zeichnen, mit dem sich jeder identifizieren kann ohne einer kognitiven Dissonanz ausgesetzt zu sein.

Dazu habe ich ein innovatives Farbschema entwickelt, um die zur jeweiligen Persönlichkeitsstruktur passenden Aussagen zu markieren. Zuerst muss sich der Leser also für eine persönliche Farbe entscheiden. Hier die Auswahl:

  • grau für Konservative, gleich, ob echte oder umgemerkelte
  • rot etwas undifferenziert für Linke, Noch-Linkere und Soweit-links-dass-sie-schon-fast-wieder-rechts-sind-Linke
  • grün für Antikapitalisten, die gemerkt haben, dass man rote Inhalte auch hübscher verpacken kann
  • gelb für Liberale und der Einfachheit halber auch für FDPler, ohne dass damit eine inhaltliche Nähe suggeriert werden soll
  • orange für Rote mit Persönlichkeitsstörungen, die dazu führen, dass sie sich für Gelbe halten (trifft zum Teil auch auf die Grünen zu)

Los geht’s!

  • Dass Bürger durch Systeme wie PRISM verdachtsunabhängig überwacht werden, ist in der Abwägung von Freiheit und Sicherheit leider notwendig ist ein Zeichen für die Verkommenheit der Amerikaner ist uns neu kann man auch schöner formulieren (z.B. als “Mindestspeicherfrist”) ist als Datenkapitalismus abzulehnen, weil staatliche Überwachungssysteme genauso böse sind wie der Kapitalismus, und der SPD-Vorsitzende keine Ahnung hat von Kapitalismus, aber sehr viel von Populismus versteht  ist unter keinen Umständen akzeptabel ist im Gegensatz zu Tempo 120 oder der 0-Promille-Grenze schon dann gerechtfertigt, wenn dadurch auch nur ein einziges Leben gerettet wird. (Anmerkung: die Markierung betrifft die Oppositions-Roten. Für Regierungs-Rote, gleich ob SPD oder SED aka PDS aka Linke gilt: ist absolut notwendig).
  • Dass die USA auch Deutschland und die EU überwachen hat es zu unserer Zeit mit Sicherheit nicht gegeben ist nicht wahr und außerdem nicht so schlimm ist schlimmer als die Stasi ist unsere eigene Schuld, weil wir so unzuverlässige Freunde sind und anschließend mit europäischen Geheimdiensten die Informationen austauschen, ist ein geschickter Schachzug um das Verbot der Überwachung der eigenen Staatsbürger zu umgehen war zu erwarten und dient neben der Terrorismusbekämpfung auch und vielleicht vor allem der Wirtschaftsspionage.
  • Wir sollten auf diese Überwachungsmaßnahmen dadurch reagieren, dass wir wieder mehr Briefe schreiben, z.B. einen ganz bösen an die amerikanische Regierung die Gründung einer europäischen Google-Facebook-Cloud subventionieren endlich anfangen unsere Bürger selber zu überwachen  Obama den Friedensnobelpreis aberkennen Mails verschlüsseln und Aluhüte aufsetzen.
  • Dass Edward Snowden nach eigener Aussage nur deshalb eine Stelle als Systemadministrator bei einem NSA-Subunternehmen antrat, um diese Überwachungssysteme öffentlich zu machen die Staatsgeheimnisse der USA zu verraten, zeigt, was für ein verkommenes Subjekt er ist welche Opfer er bereit war für seine Überzeugungen auf sich zu nehmen.
  • Dass er nur in Venezuela und Nicaragua Asyl erhalten hat, lässt vermuten, dass er von Russen oder Chinesen bezahlt wird sollte die westlichen Staaten beschämen, die sich weigerten seine Anträge zu akzeptieren. Die Ablehnung seines Antrags an Deutschland war nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten unvermeidlich unklug angesichts der Erkenntnisse, die er über rechtswidrige Spionagetätigkeiten besitzt ein feiges Einknicken der deutschen Regierung vor der Besatzungsmacht USA. (diese Farbe ist nicht auf der Liste und kam durch die Mischung von rot und grün zustande)

Falls diese Hilfe nicht ausreichend war, um des Lesers Verwirrung in den Griff zu kriegen, kann ich versichern, dass das Thema spätestens in vier Wochen sowieso vergessen ist. Die eigentliche Überwachung war ja schon nach drei Tagen kein Thema mehr, lediglich Snowdens Rundreise sorgt jetzt noch für Aufregung. Und da sich die Bürger nicht zuletzt durch diese Affäre und den Umgang der Medien und Politiker damit zunehmend an ihre Rundumüberwachung gewöhnt haben, war das vielleicht sogar der letzte Skandal dieser Art.

Veröffentlicht unter Rant | Verschlagwortet mit , , , , | 1 Kommentar

Bedingungsloses Grundeinkommen

Bin dafür. 350 Euro für jeden bar auf die Kralle. Kinder die Hälfte (oder irgendeine andere clevere Staffelung).
Dazu wird jedem ein „1-Euro-Job“ bis zur Höhe von weiteren 500 Euro garantiert, Kommunalarbeit, Vereine, etc. Macht zusammen 850 Euro.
Jeder, der einen besseren Job findet, braucht natürlich diese garantierten Jobs nicht zu nehmen, sondern kann soviel verdienen, wie er will, ohne dass es auf die 350 Euro angerechnet wird. Nur, dass man halt ab einer bestimmten Höhe Steuern und Sozialabgaben zahlen muss, wie jetzt eben auch. Und wer nicht arbeiten kann, erhält die 500 Euro halt so.
Über die genauen Beträge kann man sich auch nochmal unterhalten, vielleicht sind auch 500/1000 Euro drin, aber mehr gibt es nicht. Kein Zusatz für einen neuen Kühlschrank, die Klassenfahrt, die Wohnung – jeder hat mindestens 850 Euro und was er damit macht, ist seine Sache. Wenn die Wohnung zu teuer ist, muss man sich eine billigere suchen, und Sozialwohnungen gibt es nicht mehr. Würde vermutlich auch den Osten wieder stärker bevölkern.

Ich finde, so ein Konzept hätte viele Vorteile. Alleine die Sozialbürokratie, die man damit einspart, finanziert vermutlich schon alleine das BGE. Ersparte Subventionen für (eh oftmals fehlbelegte) Sozialwohnungen bringen weitere Milliarden, eine fehlende Mietpreisbremse fördert den privaten Wohnungsbau. Und endlich gäbe es nicht mehr das Gelaber, Unternehmen ließen sich ihre ausbeuterischen Billiglöhne durch Aufstockung vom Sozialamt subventionieren. (Leute, seht es ein, Unternehmen zahlen auf keinen Fall höhere Löhne als sie selber durch die Arbeit verdienen können – entweder der Job lohnt sich für Arbeitgeber und -nehmer, oder er existiert nicht).

Niemand würde mehr durch die Anrechnung auf H4 vom Arbeiten abgehalten. Auch für völlig Unqualifizierte gäbe es Arbeit, weil kein Mindestlohn solche Arbeitsplätze unrentabel machen würde. Die staatl. garantierten Billigjobs wären wohl gar nicht im Übermaß notwendig, der Übergang in reguläre Jobs wäre fließend und fleißige, strebsame Mitarbeiter könnten sich eher als jetzt auch ohne formelle Qualifikation hocharbeiten.

Man könnte durch diese Absicherung den Kündigungsschutz reduzieren, der ja, wie man an der Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa sieht, eher als Einstellungsschutz wirkt. Ein Jobverlust wäre nicht mehr mit dem totalen Absturz verbunden, weil man ja nicht wie jetzt fast sämtliche Altersrücklagen aufbrauchen müsste, um Unterstützung zu erhalten. Das führt auch dazu, dass sich Arbeit und Fleiß auf jeden Fall lohnen, weil Ersparnisse einem erhalten bleiben, und man nicht nach 20 Jahren Arbeit als Langzeitarbeitsloser genauso mittellos dastehen muss wie jemand, der nie im Leben etwas gearbeitet hat. Es würden eben nicht nur die Sozialartisten, die genau wissen, wie man jeden Antrag ausfüllen muss, Kohle einstreichen, sondern auch gerade diejenigen aus der Generation, die noch zu stolz ist, um sich wegen der Stütze  auf dem Sozialamt zu entblößen.

Ja, natürlich würde auch der Millionär BGE bekommen. Aber welcher Millionär hat schon so wenig Einkommen, dass er keine Steuern zahlt? Und sicher würden sich einige vor der Arbeit drücken. Was soll’s? Passiert auch jetzt schon. Und das Bundesverfassungsgericht hat zwar schon mehrfach entschieden, dass der Sozialstaat jedem ein menschenwürdiges Leben ermöglichen muss, aber nicht, dass es dabei auch noch sozial gerecht zugehen muss. Was auch immer dieser vermaledeite Wischiwaschi-Linken-Kampfbegriff auch bedeuten mag.

So, und jetzt warte ich auf Kommentare, die mir zeigen, dass jemand schon vor Jahren das Gleiche geschrieben hat. 😉 (Ernsthaft: Immer her damit, lerne gerne dazu…)

Veröffentlicht unter Politik | Verschlagwortet mit , , , | 6 Kommentare

Evolution und Marktwirtschaft

Als Darwin vor ungefähr 150 Jahren behauptete, dass der Mensch vom Tier abstamme, waren seine Zeitgenossen entsetzt. Heute ist die Evolution eine von allen* akzeptierte Tatsache.

 Screenshot (23)_snip *ok, von fast allen…

Was Evolution nicht ist

Trotz dieser universellen, seit vielen Jahren bestehenden Akzeptanz und ihrer fundamentalen Bedeutung zum Verständnis unserer Welt gibt es immer noch grundlegende Missverständnisse, wie die Evolution eigentlich funktioniert.

Es fängt schon damit an, dass Darwins Aussage vom survival of the fittest gerne mit “Der Stärkste überlebt” übersetzt wird, wobei fit in diesem Zusammenhang aber eben nicht stark, sondern angepasst bedeutet: diejenigen überleben, die am besten an ihre jeweilige Umgebung angepasst sind. Und das sind nicht immer die Stärksten, sondern vielleicht die Energiesparendsten – wie das Faultier, das sich von extrem nährstoffarmen Blättern ernähren kann – oder die mit dem passenden Schnabel für bestimmte nährstoffreiche Blüten – wie einige Kolibriarten. Oder eben auch die Intelligentesten, wie Ratten – oder Menschen.

Mit dem Menschen als Krone der Schöpfung sind wir auch schon beim zweiten Irrtum: es gibt keine Krone der Schöpfung. Dies würde nämlich implizieren, dass die Evolution ein Ziel hat – hin zu immer höher entwickelten Wesen, bis schließlich der Mensch auf die Bühne trat. Dem ist aber nicht so.

Evolution ist Mutation plus Selektion

Evolution folgt einem ganz einfachen Prinzip. Der genetische Bauplan eines Lebewesens wird kodiert durch die Abfolge bestimmter Moleküle, Basen, innerhalb riesiger, schraubenförmiger Makromoleküle, der sog. DNS (Desoxyribonukleinsäure) im Zellkern. Durch Umwelteinflüsse, wie z.B. Strahlung oder Zellgifte, kann es jetzt zu kleinen zufälligen Änderungen in der Abfolge der Basen kommen, und diese Mutationen, so sie zufälligerweise die Fortpflanzungszellen betreffen, verändern damit den Bauplan der Nachkommen. Die Änderung kann so unbedeutend sein, dass sie sich nicht auswirkt, oder sie kann wichtige Funktionen betreffen. Bei der Sichelzellenanämie führt z.B. eine Mutation zu deformierten roten Blutkörperchen, die dadurch weniger Sauerstoff transportieren können, wodurch die Betroffenen weniger ausdauernd sind und damit eher Raubtieren zum Opfer fallen als ihre gesunden Artgenossen. Das ist Selektion: die Träger einer ungünstigen Mutation sterben, oft bevor sie sich fortpflanzen und die Mutation weiter vererben können, und mit ihnen stirbt die Mutation.

In ganz, ganz seltenen Fällen wirkt sich eine Mutation positiv aus, verschafft ihren Trägern also einen Überlebensvorteil, sie können mehr Nachkommen großziehen, die Mutation breitet sich aus. Ein Beispiel dafür wäre z.B. ein härterer Schnabel, der es seinem Träger ermöglicht, erfolgreicher in Bäumen nach Maden zu bohren, ein anderes – aufgepasst – die Sichelzellenanämie, die wir eben noch als Krankheit klassifiziert haben. Die deformierten Blutkörperchen haben nämlich den Vorteil, dass ihre Träger resistenter gegen Malaria-Infektionen sind als nicht betroffene Menschen. In Gegenden, wo Malaria grassiert, wird also aus dem Nachteil ein Vorteil – die Träger der Sichelzellenanämie überleben öfter, werden also positiv selektiert, und entsprechend gibt es diese Mutation sehr häufig in Gebieten, wo Malaria endemisch ist. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die Evolution per se kein Ziel hat. Dass eben nicht eine abstrakt zu definierende Höherentwicklung angestrebt wird, sondern dass die Anpassung an die jeweilige Umwelt mit Verbesserung der Überlebenschancen das entscheidende Kriterium für evolutionären Erfolg ist – gut ist, was bleibt, was überlebt und sich fortpflanzt.

Evolution ist ein einfaches, aber unglaublich mächtiges Konzept. Man nehme ein paar Makromoleküle und sehr viel Zeit und man erhält den Menschen. Das ist so unglaublich, dass einige Leute sich tatsächlich nicht vorstellen können, wie ein simpler Mechanismus ohne Ziel und Verstand zu diesen Ergebnissen führen kann, weswegen die Kreationisten oder Anhänger von intelligent design Eingriffe einer höheren Intelligenz für notwendig halten.

Persönlich halte ich es für sehr kleingläubig einerseits ein allmächtiges Wesen zu postulieren und andererseits dann zu bezweifeln, dass dieses Wesen in der Lage sein könnte, Universum und Naturgesetze so zu erschaffen, dass auch ohne permanente Nachbesserungen Leben entsteht, zumal Milliarden von Jahren ja schon eine ziemlich lange Zeit sind, in der man auch mit kleinen Schritten recht weit kommen kann.

Ist die Evolution zu Ende?

Und damit kommen wir zum dritten Irrglauben – da der Mensch Herrscher seiner Welt sei, die Umwelt nach seinen Wünschen umgestaltet habe und in zivilisierten Gesellschaften keine Selektion mehr stattfindet, sei damit die Evolution zu ihrem Ende gekommen, was in einem gewissen Sinn dann doch den Menschen zur Krone der Schöpfung macht.

Die Evolution des Menschen ist nicht zu Ende; nach wie vor kommt es zu Mutationen, und nach wie vor pflanzen sich manche Menschen schneller fort als andere. Das ist nichts anderes als Selektion, auch wenn deren Opfer nicht mehr verhungert am Wegesrand liegen, sondern sich eben – cleverer Verhütungsmittel sei dank – einfach nur nicht mehr fortpflanzen. Aus dem Kampf ums Dasein ist das demografische Problem geworden. Mutationen, die zu höherer Intelligenz führen, oder zu mehr Fleiß und Karrierestreben, wirken sich bei uns eher negativ auf die Fortpflanzungsrate aus – was früher zu positiver Selektion führte ist zu einem Malus geworden. Auch dies zeigt, dass Evolution nicht notwendigerweise die Richtung nimmt, die wir für besser halten, sondern eben auf die Umwelt reagiert, und die Kriterien der Selektion hat der westliche Mensch spätestens mit der Erfindung des Sozialstaats massiv verändert. Während einige linke Politologen wie Butterwege den Sozialdarwinismus auf dem Vormarsch sehen, ist in Wirklichkeit ein Film wie Idiocracy näher an der Realität als uns lieb sein kann.

(Im übrigen ist der Mensch ja nicht das erste Lebewesen, was seine Umwelt verändert, und die von ihm ausgelösten Naturkatastrophen sind Pipifax im Vergleich zu dem, was vor Milliarden Jahren die ersten Algen bewirkt haben.)

The ultimate result of shielding men from the effects of folly, is to fill the world with fools. (Herbert Spencer)

Marktwirtschaft

Ich hoffe mal, dass mittlerweile klar geworden ist, wo ich die Verbindung von der Evolution zur Marktwirtschaft sehe. Wenn man Marktwirtschaft und Planwirtschaft einander gegenüberstellt, dann entspricht die Planwirtschaft dem kreationistischen Ansatz, bei dem versucht wird, aus dem Nichts in einer gewaltigen Kraftanstrengung das perfekte System zu erschaffen. Die Marktwirtschaft hingegen definiert genau wie die Evolution nur ein Verfahren, um über Versuch und Irrtum inkrementell die Versorgung der Menschen mit Gütern zu verbessern.

Wie schon in meinem vorigen Beitrag zitiert, hält Hayek es für die wichtigste Aufgabe des Wettbewerbs zu zeigen, welche Pläne falsch sind. Damit übernimmt der Unternehmer, der ein neues Produkt anbietet, gewissermaßen die Rolle der Mutation, er verändert das Warenangebot, und die Nachfrage im Wettbewerb mit anderen übernimmt zusammen mit dem erzielbaren Preis die Aufgabe der Selektion, und entscheidet, ob im konkreten Marktumfeld das Angebot Erfolg hat oder nicht.

Es gibt kein globales Ziel der Marktwirtschaft; es ist keine alles überschauende Weisheit und Planung notwendig, damit Marktwirtschaft funktioniert. Aus den Einzelinteressen der Marktteilnehmer, aus Egoismus oder Gruppenegoismus entsteht ein System, was die Bedürfnisse der Menschen alles in allem besser befriedigt, als dies zentrale Planung jemals geschafft hat. Und das System ist flexibel: ändern sich die Bedingungen, ändern sich die Erfolgskriterien und andere Marktteilnehmer und Produkte haben Erfolg. Gleichzeitig ist das Scheitern einzelner Marktteilnehmer normalerweise keine Katastrophe, sondern ein notwendiger Schritt, um das Gesamtsystem zu verbessern.

Idiocracy

Aber genau wie bei der biologischen Evolution können die Selektionsbedingungen so geändert werden, dass sich lokal eher unwillkommene Eigenschaften durchsetzen. Manipuliert man, wie das die politisierten Zentralbanken tun, massiv Risiken und Preise und damit die Selektionskriterien, oder schafft man für bestimmte Marktteilnehmer das Risiko zu versagen und pleite zu gehen gleich ganz ab, wie das bei der Bankenrettung geschieht, belohnt man durch Umverteilung die dummen, faulen und schlecht wirtschaftenden Mitspieler, bestraft damit umgekehrt den Erfolg, dann darf man sich nicht wundern, wenn das System degeneriert, weil Misswirtschaft und Versagen durch diese Negativauslese gefördert werden.

Pleiten zu verhindern und Preise – Zinsen, Mieten, Löhne – zu manipulieren verstärkt dabei die Instabilität, weil riesige, ineffiziente Strukturen entstehen, deren endgültiger Zusammenbruch dann eine veritable Katastrophe für das Gesamtsystem bedeuten kann. Diese Systemrelevanz ist dann wiederum die Basis für weitere Erpressungen und staatliche Eingriffe, die die Probleme nicht lösen, sondern nur verschleppen und dabei noch verstärken.

Und während man sich früher noch mit dem Gedanken hätte trösten können, dass ja keinem ein Wettbewerbsnachteil entsteht, wenn sich alle wie Idioten verhalten – ein Glaube, der mir innerhalb der Eurozone auch heute noch weit verbreitet scheint – gibt es leider in Zeiten der Globalisierung immer Spieler, die sich nicht an die Regeln des Idiotenschachs halten wollen und uns an die Wand wirtschaften werden, wenn wir nicht schnellstmöglich dafür sorgen, dass bei uns schlechte Pläne wieder zur Pleite führen und der Bessere wieder gewinnen darf.

Veröffentlicht unter Natur | Verschlagwortet mit , , | 4 Kommentare

There is no alternative.

Jeder kennt diesen Satz, oder zumindest die neuzeitliche Kurzfassung: alternativlos. Nun, es ist eine Sache, von etwas so überzeugt zu sein, dass man sich dazu keine alternative Herangehensweise vorzustellen vermag, eine andere dafür zu sorgen, dass es keine Alternative geben kann. Und genau das passiert im Moment bei uns unter dem schönen Schlagwort Harmonisierung, was mit Harmonie in etwa soviel zu tun hat wie ein Entsorgungspark mit dem Englischen Garten. Viel besser treffen die Sache Begriffe wie Zentralisierung, Gleichschaltung, Monopolisierung, aber da es den Protagonisten der Einfalt bisher noch nicht gelungen ist, diese Begriffe ähnlich positiv zu besetzen wie die ubiquitäre Gerechtigkeit, muss immer mal wieder neben der Harmonie die Union für neue Wortschöpfungen herangezogen werden, sei es als Bankenunion, als Fiskalunion, demnächst vielleicht als Olivenölfläschchenunion, Nichtraucherunion und Geschwindigkeitsbegrenzungsunion.

Von F.A. Hayek stammt der schöne Satz “eine der Hauptaufgaben des Wettbewerbs [ist], zu zeigen, welche Pläne falsch sind“1.. Wenn man also die falschen Pläne verfolgt, tut man gut daran den Wettbewerb auszuschalten. Und genau das ist es, was eigentlich hinter dieser Manie zur Gleichheit steckt – zu verhindern, dass irgendwo irgendjemand zeigen kann, dass es eine Alternative gibt, und diese möglicherweise sogar besser funktioniert als die zentralistische, gleichgeschaltete Mehrheitslösung.

Beispiele dazu gibt es in der Geschichte genug. In der Wirtschaft übernehmen große, etablierte Unternehmen schon mal gerne einen kleinen, aufstrebenden  Konkurrenten, bevor dessen Innovation ihnen gefährlich werden kann; offiziell, um von neuen Ideen zu profitieren, in Wirklichkeit mindestens ebenso oft um Innovation zu verhindern.

Nehmen wir einfach mal den größten Versuch in dieser Richtung: im Kalten Krieg das Bestreben der sozialistischen Staaten ihr Wirtschaftsmodell weltweit zu etablieren. Nach außen hin natürlich unter dem Banner, den vom Kapitalismus unterdrückten Massen den Weg zum Himmel auf Erden zu eröffnen, in Wirklichkeit aber aus der Erkenntnis geboren, dass sie niemals ihre Untertanen von der Überlegenheit des Sozialismus überzeugen können, solange Staaten jenseits des eisernen Vorhangs das Gegenteil beweisen. Solange sogar eine eingemauerte Stadt wie Berlin als “Schaufenster des Westens” den real existierenden Sozialismus demütigen konnte, war leider auch der neue sozialistische Mensch nur schwer davon abzubringen, wenn er schon nicht beim Zettelfalten seiner Meinung Ausdruck verleihen konnte, dann trotz der damit verbundenen Gefahren mit den Füßen abzustimmen.

Niall Ferguson spricht in diesem Zusammenhang davon, dass mit Deutschland und Korea Mitte des 20. Jahrhunderts ein gewaltiges Experiment veranstaltet wurde, als jeweils eine Hälfte des Landes mit einem marktwirtschaftlich-kapitalistischem, die andere mit einem planwirtschaftlich-sozialistischem Wirtschaftssystem versehen wurde: “Die Ergebnisse waren erfreulich eindeutig: Innerhalb verblüffend kurzer Zeit entwickelten sich West- und Ostdeutschland beziehungsweise Süd- und Nordkorea dramatisch auseinander.”2

Der aktuellste Versuch das Scheitern eines Systems zu verschleiern, indem man Alternativen zu verhindern sucht, ist die aktuelle Politik der EU – angefangen bei der Banken- und Eurorettung über den Kampf gegen sog. Steueroasen bis hin zum Versuch widerspenstige Länder wie UK auf einheitliche Linie zu bringen und das vorgeblich hochgehaltene Subsidiaritätsprinzip durch immer mehr Einmischung in nationalstaatliche Zuständigkeiten auszuhebeln: dies alles dient dem Ziel erfolgreiche Alternativen zur offiziellen Alternativlosigkeit zu verhindern.

Und kann man schon nicht verhindern, dass offensichtlich erfolgreiche Gegenmodelle wie die Schweizer Kleinstaaterei oder Islands Nichtrettungspolitik existieren, wird schon mal wie früher mit der Kavallerie gedroht, oder diskreditiert, was das Zeug hält. Richtig absurd wird die Alternativlosigkeit dann, wenn den wenigen erfolgreichen Staaten in der EU noch ihr relativer Erfolg angekreidet wird, und mehrheitlich Forderungen vertreten werden, dass sie sich bei den anderen Versagern einreihen sollen und dieselbe erfolglose Politik betreiben, die diese bereits in den Ruin getrieben hat.

Große Staaten machen große Fehler. Existieren dagegen viele kleine Staaten, die unabhängig voneinander Entscheidungen treffen und verschiedene Wege beschreiten können, besteht sogar die Chance, dass einige davon irgendetwas richtig machen, und die übrigen davon lernen können.

Verblendeten Politikern scheint es lieber zu sein, ihr Land vor die Wand zu fahren, solange man ihnen nur nicht nachweisen kann, dass sie Fehler gemacht haben, indem man funktionierende Alternativen aufzeigt. Umso mehr sollten wir uns dafür einsetzen in der EU Föderalismus, Eigenverantwortlichkeit, Vielfalt und Subsidiarität zu fördern, denn nur so können wir sicherstellen, dass auch in Zukunft die bessere Alternative gewinnt.


1 zitiert nach http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=8675

2 aus http://www.zeit.de/2013/20/der-niedergang-des-westens/komplettansicht

Veröffentlicht unter Politik | Verschlagwortet mit , , | Kommentar hinterlassen

Schwerter zu Floretten

Einige Themen lassen sich nicht auf Twitter ausführen (weil in 140 Zeichen nicht differenziert argumentiert werden kann) und genauso wenig in den Onlineforen der Qualitätspresse (weil da oftmals gegen die Ideologie der Administratoren aufgrund ihres Hausrechts überhaupt nicht argumentiert werden kann). Um über diesen Horizont hinauszugehen habe ich angefangen zu bloggen.

Es gibt ein paar Themen, die mir schon länger am Herzen liegen, ein paar andere, bei denen mir hin und wieder die Galle hochkommt, und daher werden die Beiträge hier wohl auch eine Mischung werden aus sachlich fundierten Artikeln und einseitigen Rants. Ich hoffe, dass es mir gelingt, beides einigermaßen sauber zu trennen.

Ich freue mich auf Eure Kommentare und werde nur dann Beiträge löschen, wenn es unbedingt nötig ist – damit meine ich Illegales, Beleidigungen, gleich ob persönlich oder gegen Gruppen gerichtet, und Spam.

Los geht’s!

P.S.: Zur Überschrift – die 140 Zeichen auf Twitter sind grobe Schwerthiebe, die Beiträge hier dagegen hoffentlich wenigstens ab und zu feinere Sticheleien mit dem Florett. Pflugscharen allerdings sind nicht so mein Ding.

Veröffentlicht unter In eigener Sache | 8 Kommentare